Selbstbestimmungsrecht auf gentechnikfreie Landwirtschaft sichern
Während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft fallen wichtige Entscheidungen über die Zukunft der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion in Europa.
Die EU-Kommission veranstaltet vom 4. bis 6. April 2006 in Wien eine Konferenz, bei der es um das Nebeneinander ("Koexistenz") von gentechnikfreier konventioneller und ökologischer Landwirtschaft und kommerziellem Gentech-Anbau gehen wird. Umwelt- und Verbraucherorganisationen sowie Bäuerinnen und Bauern aus ganz Europa werden anlässlich dieser Konferenz am 5.April ab 8.00 Uhr in Wien mit kreativen Formen für ein Recht auf Selbstbestimmung von Regionen und Gemeinden, sich zu gentechnikfreien Zonen erklären zu können, demonstrieren. Dies ist die einfachste und sicherste Möglichkeit, die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion langfristig zu sichern.
Der Bund Naturschutz ruft alle Verbraucher und Landwirte, die weiterhin gentechnikfrei essen wollen, zur Teilnahme in Wien auf.
Auch in Bayern gehen die Proteste weiter: in Oberfranken ist für Coburg eine Demonstration mit Kundgebung für den 1. April ab 16.00 Uhr am Markt in Planung. In Schweinfurt werden am 8. April ab 10.30 Uhr die Landwirte mit Traktoren anrollen.
Der Bund Naturschutz spricht sich für eine EU-Rahmengesetzgebung zur Koexistenz aus, damit eine schleichende flächendeckende gentechnische Verunreinigung der gesamten EU-Landwirtschaft verhindert wird.
Dazu stellt der BN klare Forderungen an die EU Kommission:
Ziel einer jeden Gesetzgebung zur Koexistenz muss die Sicherung einer garantiert gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sein. Das heißt: Diejenigen, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einsetzen, müssen auf eine -Kontamination verpflichtet werden.
Koexistenzmaßnahmen müssen so ausgestaltet werden, dass gentechnische Verunreinigungen nicht vorkommen. Unakzeptabel ist die Setzung eines Schwellenwertes von 0,9 Prozent zulässiger Verunreinigung. Denn der Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 Prozent gilt nach EU-Recht nur für zufällige und technisch nicht vermeidbare Verunreinigungen.
Wahlfreiheit darf nicht auf die Wahl zwischen mehr oder weniger gentechnisch verunreinigten Lebensmitteln hinauslaufen.
Voraussetzung dafür, dass VerbraucherInnen sich auch in Zukunft noch garantiert gentechnikfrei ernähren können, ist eine Landwirtschaft, die vor GVO-Einträgen geschützt wird. Ziel der Koexistenzgesetzgebung muss sein, gentechnische Verunreinigungen auszuschließen, und nicht, sie durch Schwellenwerte durch die Hintertüre einzuschleußen.
Koexistenz muss die gesamte Produktionskette vom Acker bis zum Teller umfassen. Koexistenz darf nicht am Ackerrand enden. Koexistenzmaßnahmen sind vielmehr für die gesamte Produktionskette notwendig: von der Saatguterzeugung über den Anbau bis zur gemeinsamen Maschinennutzung von Landwirten bei Aussaat und Ernte sowie für Lagerung, Transport und Verarbeitung.
Die Verantwortung für die Durchführung der Koexistenzmaßnahmen muss bei denjenigen liegen, die mit dem Einsatz von GVO Geld verdienen wollen. Nach dem Verursacherprinzip müssen Saatguterzeuger, Landwirte und Futtermittelhändler, die GVO einsetzen, dafür Sorge tragen, dass die gentechnikfreie Produktion nicht beeinträchtigt wird.
Durch GVO verursachte ökonomische und ökologische Schäden müssen von den Verursachern getragen werden. Gentech-Landwirte und Erzeuger bzw. Inverkehrbinger genveränderten Saatguts müssen für alle durch ihre Produkte entstandenen Schäden aufkommen.
Koexistenz setzt Transparenz voraus. Über ein öffentlich frei zugängliches Standortregister müssen Landwirte und Imker rechtzeitig über die genaue Lage des Anbau- oder des Freisetzungsortes informiert werden, außerdem über die Bezeichnung des GVO, seine Eigenschaften, seinen Erkennungsmarker und die Größe der GVO-Fläche. Zudem ist eine aktive Informationspflicht des GVO-anbauenden Landwirts gegenüber seinen Nachbarn festzuschreiben. Dazu gehören auch alle Imker.
Wenn sich Koexistenz für bestimmte Kulturen als unmöglich erweist, muss der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen abgebrochen werden.
Dazu müssen klare Abbruchkriterien definiert werden, wann einem GVO die Genehmigung zum Inverkehrbringen zu entziehen ist. Um die Koexistenzfähigkeit einzelner Kulturen zu beurteilen, muss die gesamte Produktionskette von der Saatguterzeugung über den Anbau auf dem Acker bis zum fertigen Produkt im Verkaufsregal beurteilt werden. Bereits jetzt ist klar, dass Raps auf keinen Fall koexistenzfähig ist.Er darf zum Anbau nicht zugelassen werden.
Koexistenz braucht Kontrolle. Um sicherzustellen, dass Gentech-Landwirte die Koexistenzmaßnahmen durchführen, und um ihre Wirksamkeit zu überprüfen, bedarf es Kontrollmechanismen durch die Mitgliedstaaten. Verstöße müssen durch Sanktionen wie z.B. hohe Geldstrafen geahndet werden.
Koexistenz setzt ein Reinheitsgebot für Saatgut voraus. Saatgut muss frei von gentechnischen Verunreinigungen bleiben. Für gentechnisch verunreinigtes Saatgut müssen strenge Kennzeichnungsvorschriften gelten.
Der Schwellenwert muss sich an der technischen Nachweisgrenze orientieren.
Die Regionen der EU müssen selbst entscheiden können, ob auf ihrem Territorium ein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen stattfinden darf oder nicht. Nach EU-Recht entscheiden allein die EU-Kommission und der Ministerrat über die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen. Dabei entspricht das Zulassungsverfahren nicht einmal demokratischen Gepflogenheiten. Sind genmanipulierte Pflanzen genehmigt, ist ihr Anbau EU-weit und ohne weitere Beschränkungen möglich. Dagegen regt sich in den Regionen der EU ein breiter Widerstand: In 15 von 25 Mitgliedstaaten gibt es eine Bewegung für gentechnikfreie Regionen, allen voran Italien, Griechenland, Österreich und Polen.
Weitere Forderungen an die EU Kommission sind:
die Wiederherstellung eines Moratoriums gegen die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU,
die Kennzeichnungspflicht für Milch, Fleisch, Eier etc. von Tieren, die mit genmanipuliertem Futter ernährt wurden,
Demokratisierung des Zulassungsverfahrens für GVO. Wenn der Antrag auf Zulassung einer genmanipulierten Pflanze, im EU Ministerrat keine Mehrheit findet, wie meist der Fall war, dann soll künftig die EU Kommisssion nicht, wie bislang praktiziert, trotzdem die Zulassung aussprechen dürfen.