Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Umdenken bei Mainkanalisierung überfällig

Bund Naturschutz fordert in seiner Eingabe an Bundesverkehrsministerium und Bundestag Gesamtüberprüfung unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten

07.11.2002

Die im Koalitionsvertrag beschlossenen Konsequenzen aus der jüngsten Hochwasserkatastrophe dürfen sich nicht auf Donau, Saale und Elbe beschränken. Der Bund Naturschutz hat sich deshalb mit einer Eingabe an das Bundesverkehrsministerium und mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt und für den Main eine Gesamtüberprüfung aller noch nicht ausgebauten Stauhaltungen gefordert.


In der Eingabe heißt es wörtlich:

Vom Bund Naturschutz (BN) wird ausdrücklich begrüßt, dass als konkrete Konsequenz aus der jüngsten ein Verzicht auf weitere Staustufen für Donau und Saale sowie ein Verzicht auf Ausbaumaßnahmen an der Elbe beschlossen wurde. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wurde auch im Kapitel "Mobilität" ausdrücklich festgelegt, dass die Befahrbarkeit der Flüsse durch die Entwicklung flussangepasster Schiffe verbessert werden soll. Lt. Kapitel "Gewässer- und Naturschutz" wird ebenso eine zügige Realisierung des von der Bundesregierung zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes am 15.09.02 verabschiedeten "5-Punkte- Kataloges" angestrebt.

Der Bund Naturschutz sieht darin wichtige Schritte hin zu einer umweltschonenderen Verkehrspolitik, zur verstärkten Berücksichtigung von Naturschutzbelangen bei der Nutzung von Fließgewässern als Transportwege und zu einem wirksameren Hochwasserschutz, der sich konsequent am Vorsorgeprinzip orientiert. Wir freuen uns darüber umso mehr, als damit langjährigen Forderungen des BN und anderer Umweltverbände entsprochen wird.

Unverständlich und nicht nachvollziehbar ist es allerdings für den BN, dass ungeachtet der o.g. Zielvorgaben beim Main die laufenden Ausbau- bzw. Kanalisierungsmaßnahmen, aber auch die Planfeststellungsverfahren und Vorplanungen für weitere Ausbauabschnitte offensichtlich unverändert weitergeführt werden. Erklärtes Ziel sind hier eine Fahrrinnenvertiefung auf 3,10 m (2,90m plus 0,20 cm Tiefenreserve) und eine Fahrrinnenverbreiterung auf 40m, in den Kurven sogar auf 55m (z.B. Heidingsfelder Bogen) und mehr. Damit soll vorrangig in den Kurven ein problemloser Begegnungsverkehr zwischen Großmotorgüterschiff und Schubverband ermöglicht werden.

Nachdem mainabwärts bereits 21 Stauhaltungen ausgebaut und bei Würzburg für die Stauhaltungen Randersacker/Goßmannsdorf die Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden sind, wurden in diesem Jahr erstmals auch für 2 Stauhaltungen (Limbach/Viereth) am Ende der potentiellen Gesamtausbaustrecke Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Der noch nicht auf Maximaltiefe und -breite ausgebaute, ökologisch wie landschaftsoptisch höchst wertvolle und sensible Mainabschnitt zwischen Kitzingen und Haßfurt wird damit förmlich in die Zange genommen.

Gleichzeitig wird durch solche Zwangspunkte auch das vom Bund Naturschutz seit vielen Jahren für die gesamte Ausbaustrecke am Main geforderte Raumordnungsverfahren unmöglich gemacht. Nur im Rahmen eines solchen Raumordnungsverfahrens können aber die Raumverträglichkeit der Gesamtmaßnahme ebenso wie ihre Vereinbarkeit mit übergeordneten raumordnerischen Zielvorgaben umfassend überprüft und die Voraussetzungen für Kompensationsmaßnahmen geschaffen werden, die sich nicht nur auf jeweils nur eine Stauhaltung beschränken. Ein ökologisches Gesamtkonzept erscheint aber gerade im Hinblick auf die dringend gebotene Hochwasservorsorge bei der Planung ökologisch wirksamer Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen über den Bereich der einzelnen Stauhaltungen hinaus unverzichtbar.

Der BN hält deshalb ein Festhalten am Mainausbau bzw. an dessen Parametern v.a. aus folgenden Gründen ökonomisch wie ökologisch weder für gerechtfertigt noch mit den Zielsetzungen des Koalitionsvertrages vereinbar:


  • Der anstehende Mainausbau zwischen den Stauhaltungen Marktbreit und Limbach bedroht den wertvollsten und gegenüber Eingriffen empfindlichsten Abschnitt des Mains. Dort befinden sich sowohl im Landkreis Kitzingen (zwischen Schwarzach und Volkach) als auch im Landkreis Haßberge gleich mehrere FFH -, Vogelschutz - und Naturschutzgebiete.


  • Der geplante Mainausbau gefährdet nicht nur die zentrale ökologische Lebensader Mainfrankens , sondern auch eine unersetzliche touristische Attraktion dieser Region.


  • Der Begegnungsverkehr auf dem Main spielt angesichts des relativ geringen Schiffsaufkommens und des kaum relevanten Anteils von Schubverbänden nur eine untergeordnete Rolle. Kritische bzw. unfallträchtige Schiffsbegegnungen in den Kurven könnten über eine Steuerung des Schiffsverkehrs durch den Schleusungsvorgang sowie über Funkeinweisung von dort ausreichend entschärft werden. Darüber hinaus wäre der über die Fahrrinnenverbreiterung angestrebte Sicherheitszuwachs auch durch Verbesserung der Schiffstechnik (z.B. durch den Einbau von Bugstrahlrudern) sowie durch die verpflichtende Einführung eines Mainpatentes für die zahlreichen ortsunkundigen Schiffsführer zu erreichen.


  • Eine Weiterführung des Mainausbaus lässt schon heute aufgrund der damit verbundenen Abflussbeschleunigung und Scheitelabflusserhöhung eine Verschärfung der Hochwassersituation für die gesamte Region erwarten (evtl. Ergänzung über KR WÜ)


  • Das Ausmaß der angestrebten Fahrrinnenvertiefung erscheint angesichts des zunehmenden Trends zum Containertransport und damit zum "Stapeln in die Höhe" zumindest fragwürdig. Gleichzeitig wird aber eine Ausweitung des Containertransportes zwischen Rhein und Donau und damit auch des Anteils der Schubverbände durch die zu geringe Bauhöhe der Brücken über den RMD - Kanal spürbar begrenzt werden.


  • Die für den RMD - Kanal zwischen Kelheim und Nürnberg prognostizierten Gütertransportmengen von 18 Mio. t sind auch 10 Jahre nach dessen Inbetriebnahme nicht einmal zu 40 % erreicht (z.B. 6 Mio. t im Jahr 2001). Ähnliches zeichnet sich schon heute für den Main ab, wo der Güterumschlag im vergangenen Jahr gerade einmal 7,2 Mio. t erreicht und gegenüber dem Jahr 2000 bereits um 16 % abgenommen hat - u.a. aufgrund der Schließung transportrelevanter Firmen, der Stillegung von Länden und des Umstiegs von Unternehmen beim Gütertransport auf die Bahn.


  • Bereits 1992 hat ein bis heute kaum beachtetes IFO -Gutachten bei den Transportmärkten einen Strukturwandel hin zu leichtgewichtigeren und höherwertigeren Gütern festgestellt, so dass zumindest mittelfristig die für die Binnenschifffahrt relevanten Transportgüter deutlich zurück gehen werden.



Gerade angesichts der letztgenannten Punkte sind auch unter ökonomischen Aspekten weitere milliardenträchtige Investitionen in einen Maximalausbau des Mains nicht mehr zu rechtfertigen. Der BN bittet deshalb das Bundesverkehrsministerium eine detaillierte Gesamtüberprüfung für alle noch nicht ausgebauten Stauhaltungen unter ökologischen, landschaftsoptischen, hydrologischen und ökonomischen Gesichtspunkten in Auftrag zu geben. Gleichzeitig beantragen wir eine Umschichtung der Finanzmittel zugunsten eines Förderprogramms, das die (Weiter-)Entwicklung flussangepasster Schiffe ermöglicht und Schiffseignern den Einbau moderner Steuerungstechnik finanziell erleichtert.

Sollte als Ergebnis der o.g. Gesamtüberprüfung grundsätzlich an der Weiterführung des Mainausbaus festgehalten werden, halten wir es für unverzichtbar, dass dann für die gesamte Ausbaustrecke zwischen den Stauhaltungen Goßmannsdorf und Viereth wenigstens ein Gesamtraumordnungsverfahren durchgeführt wird. Nur so ist zu gewährleisten, dass den Belangen des Hochwasserschutzes, der Wasserrückhaltung sowie des Natur- und Landschaftsschutzes ein weit größerer Stellenwert als bisher eingeräumt und das Ausmaß der Eingriffe deutlich reduziert wird.

Der BN sieht allerdings keinen Grund dafür, warum die vom Deutschen Bundestag in der letzten Legislaturperiode beschlossenen Ziele zur verstärkten Berücksichtigung des Naturschutzes (Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes) und die Wasserrahmenrichtlinie der EU auf den Mainausbau bzw. die Mainkanalisierung keine Anwendung finden sollen und hofft deshalb, dass der bisherige Maximalausbau des Maines gestoppt und statt dessen die qualifizierte Beendigung dieser schon heute fragwürdigen Gewässerkanalisierung von Ihnen in Angriff genommen wird.



gez.

Helmut Schultheiß
Regionalreferent