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Vorrang für den ökologischen Hochwasserschutz

Bund Naturschutz fordert wieder mehr Raum für "Breitwasser statt Hochwasser" und ein Umdenken bei den Hochwasserschutzplanungen an der Donau

04.11.2005

Im Rahmen einer landesweiten Tagung zum ökologischen Hochwasserschutz in Neuburg hat der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) neue Schwerpunkte in der bayerischen Hochwasserschutzpolitik gefordert. "Statt einzelnen Stau-Poldern brauchen wir die Rückverlegung von Deichen und integrierte gesamtökologische Konzepte im Hochwasserschutz" fasste Sebastian Schönauer, stellvertretender Vorsitzender des BN zusammen. "Polder bedeuten einen rein technischen Hochwasserschutz mit Fixierung auf die Hochwasserspitze von Extrem-Ereignissen. Sie ändern nichts an den Ursachen der zunehmenden Hochwasserereignisse und führen eine nicht mehr zeitgemäße sektorale Sichtweise fort.", kritisierte Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN.

Nötig ist das Bewußtsein, dass jeder seinen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten und Flächen zur Verfügung stellen muss. Hochwasserschutz an der Donau darf sich nicht auf die Planung von vier Poldern konzentrieren. Für großräumig wirksamen Hochwasserschutz sind flächige Maßnahmen im Rahmen eines ökologischen Hochwasserschutzes nötig. Nötig ist auch die konsequente Umsetzung des Hochwasserschutzgesetzes.

Bei einer abschließenden Exkursion in das Gebiet des geplanten Polders Riedensheim erläuterten die Experten des BN ihre Argumente gegen Staupolder vor Ort. "Wir lehnen die Fixierung auf die Polderplanungen ab und fordern, dass in den nun anstehenden Raumordnungsverfahren auf jeden Fall gerade die Schaffung von Aueflächen mit untersucht wird", so Günter Krell, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Neuburg-Schrobenhausen und Mitglied des Landesvorstandes.

Seit 1999 wird der Donauraum fast schon regelmäßig von Jahrhundertfluten heimgesucht. Die bayerische Staatsregierung hat im Jahr 2000 ihr Hochwasserschutzprogramm 2020 aufgelegt, das gerade an der Donau umfangreiche Maßnahmen einplant. Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) kritisiert an der Umsetzung dieses Programmes, dass der Schwerpunkt zu stark auf dem technischen Hochwasserschutz liegt. So sind allein an der Donau 4 von bayernweit 7 Staupoldern geplant (Riedensheim, Katzau, Öberauer Schleife, Isarmündung), dazu kommen noch weitere Polderplanungen im Zuge des Hochwasserschutzes zwischen Straubing und Vilshofen. Die mehrfach vorgesehenen technisch gesteuerten Flutpolder genügen jedoch nicht den Anforderungen eines modernen, ökologischen Hochwasserschutzes. Sie sollen ausschließlich dazu dienen, bei Extremereignissen die Hochwasserspitze in ihrem Maximum zu kappen. Da sie sehr teuer sind, fehlt das Geld dann für andere Maßnahmen. Der BN dagegen fordert ein Gesamtkonzept mit Vorrang auf der Öffnung der Auen für das Hochwasser. Es bringt für alle Hochwasserereignisse einen besseren Schutz, verlangsamt die Hochwasserwelle, muss flächendeckend umgesetzt werden und hat dadurch in der Summe eine hohe Wirkung. Davon würden auch die gefährdetsten Lebensräume Mitteleuropas - die Auen - profitieren und Flüsse und Auen wieder zu dynamischen Lebensadern werden können. Wie nötig dies ist, zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen des bayerischen"Auenprogrammes": nur noch 5 % der Auen Bayerns haben eine "wenig eingeschränkte Funktionsfähigkeit", ca. 40 % dagegen eine "stark eingeschränkte Funktionsfähigkeit. Bei einer Schwerpunktsetzung auf Deicherhöhungen und Polder geht der ökologische Hochwasserschutz mit der Rückverlegung von Deichen und Reaktivierung natürlicher Hochwasserräume - der Auen - unter.

Der BN fordert daher, dass an der gesamten bayerischen Donau so weit wie möglich die seit ca. 1926 verloren gegangenen Überschwemmungsflächen wieder an den Fluss angebunden werden. Diese Verluste waren mit fast einem Drittel, bezogen auf ein 20- bis 30jähriges Hochwasser, äußerst groß. Die Zerstörung der Auen als natürliche Retentionsflächen und die Kanalisierung der Flüsse ist - neben der Klimaveränderung mit erhöhten Starkregenfällen und der Zerstörung der natürlichen Wasserspeicherfähigkeit der Landschaft - eine wesentliche Ursache für die gestiegene Hochwassergefahr.
Gerade an den wenigen nicht gestauten Abschnitten der Donau - bei Neustadt und zwischen Straubing und Vilshofen - muss die Chance der Auenreaktivierung für den Hochwasserschutz genutzt werden. Hier wäre ein idealer Ansatzpunkt für die Umsetzung des neuen bayerischen Auenprogrammes in Verbindung mit ökologischem Hochwasserschutz, der Umsetzung von Natura 2000 und der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Wie wirksam breite Auen als Retentionsflächen sein können, zeigt beispielsweise der Auenabschnitt zwischen Ingolstadt und Neuburg, der ab einem 20-jählichen Hochwasser zunehmend von der Donau durchflossen wird und den Hochwasserpegel im unterliegenden Ingolstadt deutlich senkt.



Ein wichtiges Ziel des Hochwasserschutzes muss gerade auch die Verlangsamung der Hochwasserwellen sein. Beispielsweise waren beim August-Hochwasser 2002 in Regensburg nicht an erster Stelle die Wasserstände von Donau und Regen das entscheidende Problem. Vielmehr ist der Ablauf der Hochwasserwelle in der Donau durch die verschiedenen Ausbaumaßnahmen in den letzten Jahrzehnten fast auf das Doppelte beschleunigt worden. Dadurch ergibt sich immer öfter, wie 2002, eine gefährliche Überlagerung der Hochwasserwellen von Donau und Regen in Regensburg und von Donau, Inn und Ilz in Passau. Eine Bremsung der Hochwasserwelle erfolgt jedoch nur, wenn der Fluss in vielen Armen und auf breiter Fläche durch die Aue fließen kann und durch das raue Gelände gebremst wird. Dies ist jedoch nicht Zielsetzung des Polders.

Der BN lehnt daher die Polderplanungen an der mittleren Donau ab (siehe auch Anlage). Die Machbarkeitsstudien für diese Polder sind rein technisch orientiert und beinhalten keine Prüfung der ökologischen Alternative bzw. keine Einbeziehung von ökologischen Mindestmaßnahmen, wohl weil diese zu erheblich höheren Entschädigungsansprüchen führen würden. Polder sind rein sektorale technische Maßnahmen, die mit Auenschutz und Ökologie gar nichts zu tun haben und auch nichts an den Ursachen der Hochwasserschutz-Probleme ändern.

Für den Polder Riedensheim (zwischen Stepperg und Bittenbrunn) steht angeblich das Raumordnungsverfahrens unmittelbar bevor. Der BN wird in diesem Verfahren wie auch schon im Vorfeld die Untersuchung der Möglichkeiten zum vorsorglichen Hochwasserschutz, d.h. zur Schaffung von Aueflächen als Planungsvariante einfordern. Anhand der aktuellen Biotopausstattung, der Grundwasserverhältnisse und anderer Kriterien sollen Flächen für regelmäßig überschwemmte Auen definiert werden.




Für Rückfragen:

Günter Krell, 1. Vorsitzender Bund Naturschutz Kreisgruppe Neuburg-Schrobenhausen, G.Krell@neusob.de

Sebastian Schönauer, stellv. Landesvorsitzender und Sprecher des BN und BUND AK Wasser, sebastian.schoenauer@bund-naturschutz.de


Anlage zur Pressemitteilung "Vorrang für ökologischen Hochwasserschutz":

Haupt-Argumente des BN gegen die geplanten Staupolder an der mittleren Donau:

Auszug aus: MARGRAF, Chr., 2004: Wasserrückhaltung in der Fläche - Die Verantwortung des BN. In: Schriften aus dem Donaumoos 4, Haus im Moos (Hrsg.): 45-52. Neuburg.
siehe auch: WEIGER, H., CHR. MARGRAF, 2003: Hochwasserschutz an der bayerischen Donau - eine Chance für den Auenschutz " In Natur und Landschaft 78 Jhg. (2003), Heft 4: S. 130-137. Bonn-Bad Godesberg


Vorbemerkung:

Das "Aktionsprogramm 2020" der bayerischen Staatsregierung enthält in der Säule des natürlichen Rückhaltes die Vorgabe: "Die Aktivierung von Retentionsräumen soll beispielhaft in folgenden Gewässerabschnitten erfolgen: ... Donau: Schwäbisches Donauried, Neuburg-Ingolstadt, Vohburg-Kelheim, Straubing-Vilshofen...."
In der Säule des technischen Hochwasserschutzes wird für die gesteuerte Retention durch Polder genannt : "... an der Donau zwischen Donauwörth und Ingolstadt, Vohburg und Neustadt, Straubing und Vilshofen."

Während für die Umsetzung der ersten Säule bislang nur wenig konkrete Planung und Umsetzung vorliegt (z.B. Deich-Rückverlegung in Pförring, vom BN begrüßt und unterstützt), hat die bayerische Staatsregierung 2003 für 7 mögliche Polder in Bayern konkrete Projekte vorgeschlagen, davon 4 an der Donau: Riedensheim (ND), Katzau (PAF), Öberauer Schleife (SR), Isarmündung (DEG). Aus Gesprächen ist zudem bekannt, dass weitere Überlegungen für Polder bei Großmehring (EI) und in der Goldau (KEH) existieren, derzeit aber zurückgestellt sind.

Insbesondere für den Raum zwischen Vohburg und Neustadt bedeutet die Vorlage der Polderplanungen das "Aus" des natürlichen Wasserrückhaltes an dieser Stelle. Damit werden gerade in diesem noch ungestauten Donaubereich zentrale Möglichkeiten eines ökologischen Hochwasserschutzes mit Auen-Reaktivierung vergeben.
Dies gilt ähnlich auch für den ebenfalls noch ungestauten Raum zwischen Straubing und Vilshofen, in dem beides (gesteuert und ungesteuert) realisiert werden soll, und in dem die Chancen des ökologischen Hochwasserschutzes derzeit v.a. durch die immer noch vorhandenen Ausbauplanungen des Freistaates Bayern gefährdet sind.

Die Polder sollen technisch gesteuert werden und nur im Extrem-Hochwasserfall zur Kappung der Hochwasserspitze eingesetzt werden. Das Wasser wird technisch in den Polder eingeleitet, bleibt dort einige Tage stehen und wird dann wieder abgelassen. Der Begriff "Flutpolder" ist irreführend, denn es handelt sich nicht um einen natürlich gefluteten Polder mit fließendem Wasser (das wäre ein "Fließpolder"), sondern um eine rein technisch gesteuerte "Badewannen-Lösung". Diese hat mit der natürlichen Auen-Dynamik absolut gar nichts gemeinsam. In Poldern können sich keine auetypischen, hochwasserresistenten Biozönosen entwickeln. Daher zeigen Aussagen wie "Der Naturschutz kriegt entweder Polder oder nichts" eine sehr einseitige Sichtweise, denn Polder sind kaum besser als "nichts". Im Gegenteil: Polder vergeben wertvolle Möglichkeiten einer natürlichen Auen-Reaktivierung an dieser Stelle. Selbst bei Durchführung von ökologischen Flutungen kann ein Polder in schon wertvollen Augebieten wie dem Isarmündungsgebiet Schäden verursachen. In anderen Gebieten wie der Öberauer Schleife wäre zur Verbesserung der ökologischen Situation zudem nicht Hochwasser, sondern die Wiederherstellung von Niedrigwasser-Situationen nötig.

Der BN kritisiert den derzeitigen Schwerpunkt des Hochwasserschutzes an der bayerischen Donau in Form des technischen Hochwasserschutzes durch massive Erhöhung und Verspundung von Deichen sowie die Polder. Polder führen die sektorale Sichtweise eines maximierten technischen Hochwasserschutzes mit Fixierung auf die Senkung der Hochwasserspitze bei Extrem-Ereignissen fort."Es wird grundsätzlich darauf hingewiesen, dass der Vergleich der Polderlösungen nur unter dem Aspekt des Hochwasserschutzes erfolgt." (S. 38 Machbarkeitsstudie Hochwasserschutzkonzept Vohburg - Kelheim).
Der BN fordert ein Gesamt-Konzept und primäre Umsetzung von Deich-Rückverlegungen und Reaktivierung von natürlichen Retentionsräumen im Sinne eines integrativen ökologischen Hochwasserschutzes, der auch dem Auenschutz zugute kommt. Erst am Ende eines Gesamt-Konzeptes nach Bilanzierung der Wirkung aller einzelner Maßnahmen für die verschiedenen Hochwasser-Ereignisse können ggf. noch nötige sektorale technische Maßnahmen stehen.


1. Ökologische Schädigung (Vegetation, Tierwelt)

Natürliches Hochwasser in der Aue tritt stochastisch zufällig verteilt, aber mit gewisser Regelmäßigkeit auf, in unterschiedlichen Höhen und Jährlichkeiten (incl. dem jährlich auftretenden Niedrigwasser), es steigt relativ langsam an, durchfließt die Aue und fließt natürlich wieder ab (bleibt nur in Senken noch länger stehen). Entscheidend für die Vegetation ist die Höhe des maximal auftretenden Sommer-Hochwassers. An diese Bedingungen sind die auetypischen Tier- und Pflanzenarten angepasst und machen die besondere biologische Vielfalt der Auen aus.

Im Gegensatz zu regelmäßig fließend überfluteten natürlichen Auen steht in den Poldern das Wasser mehrere Tage, z.T. auch unnatürlich hoch, und verarmt an Sauerstoff. Durch die Sauerstoff-Armut und entstehende Stoffwechsel-Produkte kann die Vegetation absterben. Dies kann nicht nur nicht hochwasser-tolerante Bäume und Kräuter, sondern auch völlig untergetauchte hochwasser-tolerante Arten betreffen. Selbst bei nur kurzer Einstauung und noch sauerstoffhaltigem Wasser würde die Vegetation Schaden nehmen, da sie aufgrund der Seltenheit der Überflutungen in der Polderfläche an die Überflutungen nicht angepasst ist.

Zur Reduktion der Auswirkungen für den Auwald wird in den Planungen der "Umbau" dieses Waldes mit hochwassertoleranten Baumarten empfohlen. Dagegen ist zu erwidern: man kann sicher entsprechende Baumarten pflanzen, aber richtig hochwasserverträglich werden diese Baumarten nur, wenn sie regelmäßige Hochwasser quasi von klein auf gewohnt sind und ihr Wurzelwerk daran angepaßt ist. Die Anpassung bezieht sich zudem immer nur auf fließendes Wasser, nicht auf stehendes Wasser.

Bei plötzlich einfließendem Wasser auf sonst nicht gefluteten Flächen kann es auch zu Beeinträchtigungen der Tierwelt kommen, da die Tiere nicht so schnell flüchten können, bzw. nicht auentypische Tiere in diesen Räumen nicht an das Hochwasser angepaßt sind. Ohne regelmäßige natürliche Überflutungen kann sich keine hochwasserangepasste Tierwelt entwickeln.

Gelangt sauerstofffreies Wasser eines Polders in großen Mengen wieder in den Fluss, kann dies auch zu Schäden an der Fischfauna im Fluss führen, wie z.B. 2002, als es ein großes Fischsterben bis in die Elbe gab, als das sauerstofffreie Wasser der "neu" entstandenen, jahrelang nicht gefluteten Polder-Flächen in die Untere Havel gelangte.

Die ökologischen Auswirkungen in der Polderfläche sind natürlich bei Betroffenheit bereits wertvoller Gebiete wie dem Isarmündungsgebiet besonders gravierend. Aber auch wenn bei einigen Polderplanungen in weiten Bereichen "nur" Ackerflächen betroffen sind, sind natürlich auch dort Wirkungen auf die Lebewesen vorhanden. Dem Argument: "es sind ja nur Ackerflächen betroffen, da verliert der Naturschutz doch nichts" ist entgegen zu halten, dass 1. auch auf Ackerflächen Tiere und Pflanzen leben, die bei Hochwasser zerstört werden, dass 2. gerade beim Einstau von Ackerflächen die Probleme der Sauerstoffzehrung sehr groß sind (siehe Elbe-Hochwasser !) und dass 3. eine Chance verloren geht, auf diesen Flächen durch auenverträgliche Bewirtschaftung Aue-Lebensräume zu entwickeln - hier wäre ein idealer Ansatzpunkt für die Umsetzung des neuen bayerischen Auenprogrammes. Es darf nicht nur um die Frage gehen, "was wird durch den Polder zerstört", sondern es muss heute gerade um die Frage gehen, "welches Potential zur Verbesserung wird nicht genutzt ""
Gerade im noch ungestauten Bereich unterhalb Vohburg bietet sich - neben Straubing und Vilshofen - die einmalige Möglichkeit, hier durch Deichrückverlegung die ökologische Qualität der Auwälder und auch der gesamten Fläche zu verbessern.


2. Ökologische Flutungen als "Gewinn" für den Naturschutz "

Bei verschiedenen schon geschaffenen Poldern wird jetzt auf Grund der negativen Wirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt mit so genannten »ökologischen Flutungen« bei niedrigeren Hochwassern versucht, eine Auen-Situation und die Anpassung von Tieren und Pflanzen annähernd wiederherzustellen. An derartige ökologische Überflutungen sind hohe fachliche Anforderungen zu stellen, die derzeit noch kaum tatsächlich in bestehenden Poldern erfüllt werden.

Die ökologischen Flutungen haben viele Gegner, was ihre Realisierung erschwert:
Die Landwirtschaft wird sich gegen ökologische Flutungen wenden, da sie ein Interesse an der weiteren Bewirtschaftung der Polderflächen hat, die aber mit zunehmenden ökologischen Flutungen stärker eingeschränkt wird.
Auch die Wasserwirtschaft wird zunächst kein Interesse an ökologischen Flutungen haben, da sie zum einen die Diskussion mit der Landwirtschaft erschweren und zum anderen die Höhe der Ausgleichszahlen erhöhen. Der Umfang der Ausgleichszahlungen wird nicht wesentlich geringer sein wie für den Kauf der Flächen - dann könnte man allerdings auch gleich über eine Deichrückverlegung mit natürlichen Überflutungen verhandeln.

Entsprechend sind auch in den beiden Machbarkeitsstudien zu den Poldern Riedensheim und Katzau sowie auch in der Broschüre des StMLU "Hochwasserschutz in Bayern - Flutpolder" ökologische Flutungen nicht vorgesehen. Sie werden abgelehnt, da sie zu erheblich höheren Entschädigungsansprüchen führen würden !



3. Keine Bremsung der Hochwasserwelle - Kappung der Spitze von Extrem-Ereignisse als einziges Ziel eines "besseren Hochwasserschutzes" -

In der Broschüre des StMLU ist die Rede von davon, dass Hochwasserschutz durch gesteuerte Polder "besser", "wirksamer" oder "optimal" wäre. Es stellt sich die Frage, aus welcher Sicht das beurteilt wird.

Angesichts der Notwendigkeit einer "Entschleunigung" der Hochwasserwellen wäre das nämlich nicht richtig. Denn in einem Polder werden die Hochwasserfluten nur gespeichert, aber nicht verlangsamt und gebremst ( = Badewannen-Lösung"). Das Hochwasser durchläuft den Fluss nach wie vor beschleunigt im beengten Vorland.

Eine Bremsung der Hochwasserwelle erfolgt nur, wenn der Fluss in vielen Armen und auf breiter Fläche durch die Aue fließen kann und durch das rauhe Gelände wirksam gebremst wird. Dies ist jedoch nicht Zielsetzung des Polders bzw. auf der Polderfläche werden evtl. mögliche Reaktivierungspotentiale vergeben.

Auch die Beurteilung dieses "besser" nur aus der Sicht des Extrem-Hochwasser-Ereignisses gesehen, denn bei kleineren Ereignissen soll der Polder ja gar nicht wirksam werden. Es werden damit Potentiale des Hochwasserschutzes bei kleineren Ereignissen vergeben und damit auch Schäden an anderer Stelle, die schon bei kleineren Ereignissen auftreten, hingenommen.

Zudem werden Chancen einer verbesserten Retentionswirkung in einer reaktivierten Aue mit Wiesen und ggf. sich entwickelndem Auwald vergeben. Die Speicherwirkung des Bodens unter Auwald ist deutlich höher als die Speicherwirkung unter Äckern. Auch dies wäre in einer Bilanzierung der Wirkung mit ein zu beziehen.


Polder führen die sektorale Sichtweise eines maximierten technischen Hochwasserschutzes mit Fixierung auf eine maximale Senkung der Hochwasserspitze bei Extrem-Ereignissen fort.
Dabei sind auch in den Machbarkeitsstudien für die Berechnung der Wirkung etliche vereinfachende Annahmen getroffen worden und es wird darauf hingewiesen wird, dass die "errechneten Wasserspiegelabsenkungen für gesteuerte Polder nur theoretische Werte sind, die das maximal erreichbare Ergebnis aufzeigen"(S. 18 Machbarkeitsstudie Vohburg - Kelheim).

Dabei gibt es Beispiele, wie auch natürliche Flutungen auch zu einer nicht unerheblichen Senkung der Hochwasserspitzen von Extrem-Hochwassern beitragen:
Zwischen Ingolstadt und Neuburg liegt ein Retentionsraum (Auwald), der ab einem HQ5-10 durch den Überlauf der Staustufe Bertoldsheim geflutet wird und sich dann relativ natürlich allmählich mit Wasser füllt. Bezüglich der Wirkung dieses quasi natürlichen Retentionsraumes beim Pfingst-Hochwasser 1999 wurde von Seiten der Wasserwirtschaft selbst festgestellt, dass 50 Mio m³ (incl. Speicherung im Bodenraum) dort gespeichert werden konnten und in flussab in Ingolstadt die Hochwasserspitze 20 - 40 cm gekappt werden konnte.

Viele solche großräumige natürliche Retentionsräume könnten somit auch eine erhebliche Wirkung haben. Würde man für verschiedene Szenarios die Wirkung vieler verschiedener Maßnahmen betrachten, würde sich auch der Beitrag einer maximierten technischen Steuerung reduzieren.


5. Grundwasser-Probleme

Speicherbecken schaffen u.a. auch hochstehende Druckwasserstände, die die dort vorhandenen Grundwasservorräte schwer schädigen würden und einen "Grundwasserverfall" ganzer Regionen befürchten lassen.
Beim Einstau in einem Polder besteht zudem die Gefahr, dass das Grundwasser bzw. Qualmwasser höher steigt als bei fließendem Wasser bei natürlicher Flutung.

Ein Polder-Einstau hat zudem nicht die positiven Auswirkungen auf den Grundwasser-Haushalt wie eine natürliche Aue.

In der Machbarkeitsstudie Riedensheim wird beispielsweise hierzu nur erwähnt, dass die Auswirkungen auf das Grundwasser erst "im Rahmen der Entwurfsplanung eingehend untersucht werden müssen." (S. 38).


6. Steuerungs-Probleme, Grenzen der Ausnutzung

Jeder Polder-Betrieb erfordert eine eindeutige Entscheidungsgrundlage für den Zeitpunkt der Steuerung (Niederschlags- und Abflussmenge, Vorhersage der Form der Welle mindestens 1-2 Tage im Vorlauf nötig, überregionale Abstimmung der Steuerung bei mehreren Poldern hintereinander etc.)

In der Machbarkeitsstudie zu den im Bereich Ingolstadt geplanten Poldern wird klar ausgeführt, dass hierfür heute die Grundlagen noch gar nicht vorhanden wären: "Die Vorhersagedauer ist heute nicht gegeben und wird auch zukünftig nicht exakt möglich sein."

Wir verweisen zudem auf negative Erfahrungen mit Steuerungs-Problemen bei großräumigem Hochwasser am Rhein.

Grenzen der Ausnutzung der Polder bestehen zudem bei sehr hohen Hochwasser-Spitzen (bei kurzer Dauer) und bei einer Hochwasserwelle mit langem, aber flachem Scheitel.


7. Nur vordergründig billig

Polder sind nur vordergründig und angeblich billig. Der Kosten-Nutzen-Effekt liegt nur im Bereich des Hochwasserschutzes.
Sollte der Deich des Polders brechen, sind die Schäden gewaltig.

Dagegen wäre bei einer natürlichen Überflutungsfläche der Kosten-Nutzen-Effekt auch im Bereich Naturschutz, Landschaftsbild, Erholung, Grundwasserschutz u.a. An gleicher Stellen könnten vielfältige positive Wirkungen einer natürlichen Aue erreicht werden und damit ein wesentlich höherer volkswirtschaftlicher Nutzen erreicht werden.

Die im Raum Ingolstadt geplanten Polder sind z.B. auch wegen der Ablehnung von ökologischen Flutungen billig gerechnet ("... wirtschaftlich notwendig, unnötige Flutungen zu vermeiden ...", S. 46 Machbarkeitsstudie Hochwasserschutzkonzept Vohburg - Kelheim, ebenso in Machbarkeitsstudie Riedensheim keine häufigen Flutungen in den Kosten mit auf geführt). Bei einer Gesamt-Prüfung der Verträglichkeit wären jedoch mit Sicherheit weitere Flutungen (ökologische Flutungen, s.o.) vorzunehmen (siehe Erfahrungen am Rhein). Diese wären somit zwingend in die Kosten mit ein zu berechnen.