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Wie nachhaltig ist Discounter-Bio?

Wer biologisch, statt konventionell angebaute Lebensmittel kaufen will, muss dafür üblicherweise tiefer in die Tasche greifen. Da liegt die Frage auf der Hand: Warum nicht im Discounter einkaufen, wo Bio deutlich billiger zu haben ist als im Biohandel?

Tatsache ist: Sehr viele Bio-Konsument*innen kaufen bereits beim Discounter. Insgesamt wurden 2023 Biolebensmittel im Wert von 16,08 Milliarden Euro umgesetzt. Von diesem Umsatz entfielen 30 Prozent auf die Discounter. Sind diese 30 Prozent minderwertige Bio-Ware?

Die Antwort ist nein, Discounter-Bio ist nicht schlechter als ökologische Lebensmittel aus dem Bioladen oder -Supermarkt, auch nicht weniger nachhaltig. Trotzdem gibt es gute Gründe, im Bio-Fachhandel einzukaufen.



Bioladen oder Discounter? 6 Entscheidungshilfen

  • Wenn Ihnen Vielfalt und kompetente Beratung wichtig ist und Sie in nur einem Laden alles einkaufen möchten, dann sind Sie im Bioladen oder Bio-Supermarkt richtig aufgehoben. Die Auswahl an Artikeln ist hier etwa 60-mal so groß wie bei Lidl & Co.
  • Wenn Sie Wert auf „Premium-Bio“ legen, dann finden Sie im Bioladen eindeutig mehr Produkte von Bio-Anbauverbänden wie Demeter, Bioland und Naturland. Diese garantieren höhere Standards in Bezug auf Tierwohl und Verarbeitung als das europäische Bio-Siegel.
  • Regionale Ware gibt es auch beim Discounter, die Auswahl an Produkten ist allerdings im Bioladen oder -Supermarkt viel größer. Außerdem finden Sie dort auch eher Waren von kleinen, regionalen Produzenten. Der Naturkosthandel hat weniger stark standardisierte Strukturen und Abläufe als die Discounter und kann deshalb besser mit kleinen Unternehmen zusammenarbeiten.
  • Lidl & Co. nehmen Ware in großen Mengen ab und unterstützen so große Strukturen und Unternehmen, die im großen Stil einige wenige Produkte erzeugen. Wenn Sie eine kleinteiligere und vielfältige Landwirtschaft unterstützen wollen, sollten Sie besser im Naturkosthandel einkaufen.
  • Bioobst und -gemüse sind beim Discounter oft verpackt, ebenso fehlen Mehrwegoptionen für Getränke oder Molkereiprodukte. Wenn Sie Einmal-Verpackungen vermeiden wollen, kaufen Sie im Bioladen oder -Supermarkt.
  • Die Discounter stehen für eine extreme Macht von einigen wenigen Unternehmen. Wenn Sie dieses „Oligopolisten-System“ nicht unterstützen wollen, sondern einen vielfältigen Markt befürworten, sollte Sie beim Bioladen oder Bio-Supermarkt einkaufen.

Ökostandards gelten für Discounter-Bio genauso

Discounter-Bio ist nicht schlechter als Ware aus dem Bioladen oder -Supermarkt. Auch bei Aldi & Co. trägt die Bio-Ware mindestens das EU-Bio-Siegel, das gewisse Mindeststandards, wie etwa den Verzicht auf chemische Pestizide und Kunstdünger garantiert. Mittlerweile gibt es sogar Verbandsware etwa von Bioland oder Naturland bei den Discountern. Diese war lange Zeit dem Naturkosthandel vorbehalten. Die Anbauverbände garantieren deutlich höhere Produktionsstandards, etwa was das Tierwohl anbelangt. Unterm Strich können Kund*innen also davon ausgehen, dass die gekaufte Bio-Discounterware die gleichen Produktionsstandards erfüllt wie Bioladenware.

16,08 Mrd.

Euro

Bio-Umsatz

30 %

davon

beim Discounter

Auch was die Produktqualität angeht, kann sich Discounter-Bio offenbar sehen lassen. Das bestätigt beispielsweise Öko-Test: Bisher seien die meisten Discounter-Bio-Waren von dem Produkttester mit den Noten „sehr gut“ oder „gut“ bewertet worden. Wenn Discounter-Bio aber genauso gut ist wie Ware aus dem Bioladen, woher kommt dann der große Preisunterschied? Müssen die Bauern dafür zu Dumpingpreisen verkaufen?


Kein generelles Preisdumping

Discounter wie Aldi & Co. setzen auf extrem schlanke Strukturen und hochgradig standardisierte Abläufe. Sie kaufen stark nachgefragte Waren in großen Mengen günstig ein und die Produktpalette ist insgesamt deutlich kleiner als in Bio-Supermärkten. Das eingeschränkte Warenangebot wird auf einfachste Weise, also auf der Palette oder im Karton, präsentiert. Nur so lassen sich die niedrigen Preise für den Discounter halten.

Offenbar drücken die Discounter die Biobauern jedoch nicht stark im Preis. Bioland berichtet zum Beispiel, dass der Verband mit dem Abnehmer Lidl in langen Vertragsverhandlungen Fair-Play-Regeln ausgehandelt und sogar eine Ombudsstelle eingerichtet hat, bevor die Bioland-Produkte 2018 in den Regalen standen. Bis heute musste die Stelle nicht in Aktion treten.

Vielfalt ist nicht angesagt

Auch der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht kein generelles Preisdumping vonseiten der Discounter. Eher könne das eingeschränkte Produktsortiment zum Problem werden, so der Verband. Der Landwirt könne beispielsweise Kartoffeln in großen Mengen an einen Discounter liefern, fände dort aber sicher keinen Absatz für seinen Dinkel oder Emmer, denn Vielfalt ist beim Discounter einfach nicht angesagt. Der Punkt geht in dieser Hinsicht klar an den Biohandel, der mit deutlich mehr Produkten für Vielfalt auf dem Acker und in den Verkaufsregalen sorgt. Und Vielfalt ist heute das Gebot der Stunde, um die zahlreichen Umweltherausforderungen zu bewältigen. Das sollte durchaus auch in Kaufentscheidungen einfließen.


Anreise und Regionalität

Auch die Anreise und die damit verbundene CO2-Belastung ist bei der Frage Discounter oder Bio-Markt mit zu berücksichtigen: Wer zum Bioladen oder -Supermarkt mit dem Auto fahren müsste, einen Discounter aber in Fuß- oder Fahrradnähe hat, für den ist die nachhaltigere, weil klimafreundlichere Variante auf jeden Fall der Discounter.

Und wie sieht es mit der Herkunft der Waren aus? Spielt Regionalität bei Discountern eine Rolle? Oder kommen die Produkte überwiegend von weither? Laut BMEL-Ernährungsreport 2020 „Deutschland, wie es isst“ legen 83 Prozent der Verbraucher*innen großen Wert auf regionale Lebensmittel. Wem dieses Thema wichtig ist, der wird auch beim Discounter fündig. Inzwischen gibt es dort sogar Ware mit dem Regionalfenster, auch wenn das Angebot noch sehr dürftig ist: 2023 fand die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auf vier von 180 Discounterprodukten das Regionalfenster. Der Naturkosthandel mit seinem breiteren Sortiment und vor allem Grüne Märkte und Hofläden können hier aber sicher bieten sicher noch mehr Auswahl an regionalen Produkten bieten. Die weniger stark zentralisierten Strukturen im Naturkosthandel erlauben es außerdem, mit kleineren, regionalen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Diese können – außer in Erzeugergenossenschaften – in der Regel keine discounter-tauglichen Riesenchargen liefern.

Bedrohen Aldi & Co. den Naturkosthandel?

Dass Discounter-Bio die Existenz von Naturkostläden bedroht, ist nicht anzunehmen. Zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse der Kund*innen. Wer in den Bioladen geht, erwartet eine große Auswahl und will – ohne lange nach Siegeln zu schauen – alles in Bio-Qualität in einem Laden einkaufen. Er findet beispielsweise in einem Laden der Biocompany um die 6.000 verschiedene Artikel. Bei Aldi sind es nur rund 600. Außerdem bietet der Naturkosthandel ein angenehmes Einkaufserlebnis durch schön präsentierte Ware und teils auch kompetente Beratung. Konsument*innen, die beim Discounter kaufen, interessiert vor allem der niedrige Preis. Bio-Lebensmittel werden hier eher „on top“ zu den konventionellen Produkten gekauft.

70 - 100

Bioartikel

Lidl & Co.

6.000

Bioartikel

Bio-Supermarkt


Verpackungsmüll und CO2-Bilanz

Wer Verpackungsmüll vermeiden möchte, der sollte im Bioladen oder -Supermarkt einkaufen und nicht im Discounter. Gemüse und Obst sind im Naturkosthandel im Gegensatz zum Discounter meist unverpackt erhältlich. Auch bei Molkereiprodukten punkten Bioladen und -supermarkt. Während mit der Discounterware viel Plastikmüll anfällt, bekommt man dort Milch, Sahne und Joghurt im Pfandglas und auch andere Waren in Mehrwegverpackungen.

Dafür können Aldi Netto & Co. an anderer Stelle punkten: Ihre schlanke und effiziente Logistik und die standardisierten Prozesse über die gesamte Lieferkette hinweg dürften sich positiv auf die CO2-Bilanz sowie den Material- und Energieverbrauch auswirken.

Soziale Nachhaltigkeit

Und wie steht es um die soziale Nachhaltigkeit bei deutschen Discountern? Im Supermarkt-Check 2022 gibt Oxfam Lidl in Sachen Menschenrechten in der globalen Lieferkette fast 60 Prozentpunkte. Lidl rückt damit an die Spitzenposition der britischen Kette Tesco heran. Aldi Nord und Süd haben mit 49 beziehungsweise 56 Prozentpunkten ebenfalls aufgeholt. Die Discounter Netto, Norma, Penny und auch die Bio-Supermärkte wurden nicht untersucht.

Ausbeutung in der Lieferkette

Die deutschen Discounter schneiden damit im Supermarkt-Check im internationalen Vergleich zwar gut ab, „aber trotzdem erfüllen Aldi und Lidl nur knapp 50 bis 60 Prozent der Kriterien, die für eine gute Menschenrechtspolitik notwendig wären“, so Oxfam. Das System Supermarkt stehe weiterhin für Ausbeutung in der Lieferkette. Wem ein gerechter Umgang mit den Produzenten und Herstellern vor allem in den Ländern des Südens wichtig ist, der ist deshalb sicherlich mit fair gehandelten Produkten gut bedient. Im Bioladen oder -Supermarkt gibt es davon deutlich mehr als beim Discounter.

Was die soziale Gerechtigkeit hier in Deutschland anbelangt, haben beide – Discounter und Bio-Supermärkte – teilweise schon schlechte Presse bekommen. Aber die Kritik lässt sich in beiden Fällen wohl nicht auf alle Bio-Supermärkte oder Discounter übertragen.