Bund Naturschutz zieht Grüne Bilanz 2002, Schwerpunkt Mittelfranken
Der erfolgreiche Einsatz für die frei fließende Donau zwischen Straubing und Vilshofen, enormer Zuspruch bei der BN-Aktion für Bürgersolaranlagen und neue Allianzen für den Bürgerwald, sowie für attraktive Innenstädte zeigen das zunehmende Engagement der bayerischen Bevölkerung für Bayerns Natur und Umwelt im vergangenen Jahr. Der Bund Naturschutz als ein von Geldern aus Politik und Wirtschaft völlig unabhängiger Mitgliederverband zieht trotz einiger Rückschläge insgesamt eine positive Bilanz für das Jahr 2002. Der mit rund 170.000 Mitgliedern und Förderern in 77 Kreis- und 770 Ortsgruppen stärkste Naturschutzverband auf Landesebene in Deutschland hat wieder erfolgreiche Arbeit für ein lebenswertes Bayern geleistet.
Im Jubiläumsjahr 2003 feiert der Bund Naturschutz seinen 90. Geburtstag mit der Vorstellung geretteter Landschaften in allen bayerischen Regionen vom Nationalpark Berchtesgaden bis zur Weltenburger Enge. Mit Blick auf die bayerischen Landtagswahlen im Herbst wird mit dem Start der mehrjährigen Initiative "Bayerns Schönheit bewahren - Stopp dem Flächenverbrauch" für zukunftsfähige Konzepte und die Lebenschancen kommender Generationen geworben werden. Ziel ist, dass ab 2010 keine neuen Flächen bebaut oder in dem Maß des Neubaus an anderer Stelle versiegelte Flächen renaturiert werden. Dies erfordert Vorrang für Flächenrecycling, Nachverdichtung und Umnutzung, Maßnahmen gegen die kommunale Konkurrenz bei Gewerbegebietsausweisungen und ein Ende des Straßenneubaus.
Das Jahr 2002 war für die Natur und den Bund Naturschutz durch schlimme Ereignisse wie die Flutkatastrophe und herausragende Anforderungen wie die Kommunal- und Bundestagswahlen gekennzeichnet. Auch innerverbandlich gab es mit dem Wechsel im Amt des Vorsitzenden und Landesbeauftragten sowie mit dem neuen Ehrenvorsitzenden Hubert Weinzierl ebenso Wandel wie Fortführung von Bewährtem.
Im Frühjahr konnte in vielen Gemeinden mit den Wahlprüfsteinen zur Kommunalwahl die politische Diskussion auch auf zukunftsentscheidende Themen ob Flächenverbrauch, Agrarwende, ökologische Energiekonzepte oder Agenda 21 gelenkt werden. Gerade der Einsatz für die Förderung erneuerbarer Energien trägt vor allem im Solarbereich auf immer mehr Dächern sichtbare Früchte. Wurden vor Jahren Besitzer von Solaranlagen noch bestaunt und belächelt, findet die BN-Aktion für ein Bürgersolarkraftwerk in jeder bayerischen Gemeinde immer mehr begeisterte Anhänger. Auch im Jahr 2003 bietet der Bund Naturschutz daher seinen viel gefragten telefonischen Beratungsservice unter Tel. 0951- 5090614 an.
Im Bereich des Arten- und Landschaftsschutzes wurden im Jahr 2002 wieder hunderttausende ehrenamtlicher Stunden und über 3 Millionen Euro in einer Vielzahl von Artenschutzprojekten und Schutzkäufen investiert. Dass Schutz und Nutzung in Einklang kommen können, zeigte der Bund Naturschutz mit seiner Initiative für alte Bäume in Bayerns Wäldern und der Werbung für Möbel mit Pfiff aus rotkernigem Buchenholz, um gerade alte Buchenwälder als wertvolle Lebensräume für viele bedrohte heimische Tier- und Pflanzenarten mit naturgemäßer Bewirtschaftung zu erhalten. Wie phantasievoll und bestens nachgefragt das Umweltbildungsangebot ist, hat der große Zuspruch zu den Angeboten in den fünf BN-Umweltstationen und des BN-Bildungswerkes gezeigt. Der Bund Naturschutz ist mit seinem Bildungsprogramm im Landesverband und in seinen Kreis- und Ortsgruppen die größte ökologische Volkshochschule Bayerns.
Der notwendige Wettbewerb um die besten Konzepte zur Besserung unserer Lebensgrundlagen drohte im Bundestagswahlkampf fast unterzugehen. Wie notwendig es ist, endlich entsprechend den jahrzehntelangen Forderungen des BN ökologischen Hochwasserschutz zu betreiben, hat die Flutkatastrophe im Sommer dokumentiert. Es ist zu hoffen, dass die hehren Erklärungen auf allen Ebenen auch nach Ablaufen der Flutwelle endlich umgesetzt werden.
Auf über 50 Veranstaltungen konnte der BN zeigen, dass gesundes Essen mit Genuss aber ohne Gentechnik, mehr Mobilität ohne neue Autobahnen, Klima- und Hochwasserschutz ohne neue Atomkraftwerke und Staustufen oder eine Zukunft für Bayerns Bauern ohne tierquälerische Massentierhaltung und Agrargifte möglich sind. Dass die Donau laut Koalitionsvertrag weiter frei fließen darf oder die Agrarwende zur Sicherung von bäuerlichen Betrieben und Kulturlandschaft weitergeht sind Hoffnungszeichen, auch wenn an anderen Stellen leider weiter, vor allem gegen unsinnige Verkehrsgroßprojekte gestritten werden muss.
Ein herausragendes Ereignis war das Jahr der Berge, an dem sich der Bund Naturschutz mit einem großen Veranstaltungsprogramm beteiligte. Über 83 geführte Touren, fünf Seminare und eine Fülle von kreativen und fachlichen Beiträgen hat die hohe fachliche Kompetenz des Bundes Naturschutz bewiesen.
Im Zeitalter der Globalisierung ist grenzüberschreitend zu arbeiten im europäischen und internationalem Rahmen eine besondere Herausforderung. Der Bund Naturschutz war daher verstärkt auf europäischer Ebene zusammen mit der Stiftung Euronatur in Brüssel vertreten, um im Agrar-, Verkehrs- und Energiebereich an Weichenstellungen mitzuwirken, welche die Naturschutzpolitik vor Ort immer mehr bestimmen. Einen großen Erfolg der kontinuierlichen Arbeit konnte der BN erst vor kurzen in der Auseinandersetzung um das Natura 2000 Netz der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie erringen: Zum einen muss die bayerische Staatsregierung erhebliche Flächen nachmelden, zum anderen konnten wir vor dem Bundesverwaltungsgericht mit der FFH-Richtlinie die Straßenplanung der B173 neu in Oberfranken durch ein richtungsweisendes Urteil stoppen.
Ein wichtiger Baustein unserer Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit waren auch in diesem Jahr Partnerschaften und neue Allianzen ob im Bürgerwaldforum, der Gemeinschaftsaktion "für ein modernes Bayernnetz mit Bahn und Bus", der Zusammenarbeit mit Einzelhändlern und Heimatpflegern zur Erhaltung der Innenstädte statt Ansiedlung von Einkaufszentren auf der grünen Wiese oder im Widerstand gegen Atomkraftwerke und geplante Zwischenlager: So veranstaltete der Bund Naturschutz mit den tschechischen Müttern gegen Atomkraft und Atomgegnern aus Österreich den ersten Parlamentarierabend mit Europapolitikern in Straßburg, um den Druck auf die Abschaltung des Atomkraftwerkes Temelin unweit der berühmten Kulturstadt Budweis zu erhöhen.
Herbe Rückschlage waren dagegen die Straßenbaupolitik der bayerischen Staatsregierung sowie der Bundesregierung mit dem Weiterbau der A7 im Allgäu trotz einer Klage der EU wegen Nichtvollziehung europäischen Umweltrechts, das Festhalten an Planungen für einen neuen Autobahnring München Süd und die klimaschädliche Subventionierung des Flughafenausbaus in München und Hof, weiteres Bauen in Überschwemmungsgebieten und der Abschuss von Kormoranen in einem nach internationalem Recht geschützten Brutgebiet am Chiemsee.
In 2003 feiert der Bund Naturschutz seinen 90. Geburtstag als unabhängiger und ältester deutscher Naturschutzverband. In allen bayerischen Regierungsbezirken werden dabei vom Bund Naturschutz gerettete Landschaften von der Weltenburger Enge bis zum Nationalpark Berchtesgaden vorgestellt. Mit diesen oft erst nach langen Auseinandersetzungen mit der jeweils verantwortlichen Politik erhaltenen Naturschätzen kann heute international für Bayerns Natur geworben werden.
Mit aller Konsequenz wird der Bund Naturschutz in diesem Jahr auf ernsthaften Klimaschutz durch Verringerung der Kohlendioxidemissionen in Bayern und einen vorbeugenden Hochwasserschutz mit der Renaturierung der Flussauen und der Anlage natürlicher Überschwemmungsräume drängen. Während eine Missachtung der Natur alle teuer zu stehen kommt, hilft Naturschutz in vielen Fällen Kosten sparen und schafft umweltverträgliche Arbeitsplätze. Mit Blick auf die bayerischen Landtagswahlen im Herbst wird mit der Initiative "Bayerns Schönheit bewahren - Stopp dem Flächenverbrauch" für zukunftsfähige Konzepte der Siedlungsentwicklung geworben werden.
Lichtblicke und Erfolge in Mittelfranken
Als größte Erfolge in Mittelfranken gelten die Initiativen des Projektes SandAchse Franken, die Verhinderung einer neuen Splittersiedlung im Stadtwald von Fürth, das Ende der Ostspangen-Planung in Nürnberg und die regionale Umweltbildungsarbeit. Ende 2002 hat der BN in Mittelfranken 26.000 Mitglieder. Die Kreisgruppe Schwabach feierte in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum erfolgreicher Umweltarbeit.
Mit dem größten Naturschutz-Umsetzungsprojekt Bayerns, der "SandAchse Franken" gelang es dem Bund Naturschutz zusammen mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) und dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) sowie allen Landkreisen und Städten zwischen Bamberg und Weißenburg, das Bewusstsein für die typischen Sandlebensräume zu wecken. Hunderte von Exkursionen und mehrere Naturschutztage wurden in Mittelfranken mit großer Resonanz durchgeführt. Mit dem SandGestöber konnte allen Schulen erstmals fundiertes Unterrichtsmaterial zum typischen Lebensraum des mittelfränkischen Beckens zur Verfügung gestellt werden. Flächen zur Schaffung von Sandmagerrasen konnten in Nürnberg, Fürth, Schwabach und in Röthenbach/Pegnitz erworben werden. Die positiven Entwicklungen führten auch zur Weiterbewilligung der finanziellen Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds aus Mitteln der Glücksspirale bis 2005.
Mit dem Umweltbildungsangebot des Bundes Naturschutz wurden 2002 wieder hervorragende Impulse gegeben: In der mittelfränkischen Ökostation Naturschutzzentrum Wengleinpark in Hersbruck waren es vorwiegend Veranstaltungen zu regionalen Wirtschaftskreisläufen, aber auch zu Naturschönheiten der Fränkischen Alb, im Rahmen des großen Vortrags- und Umwelterfahrungsprogrammes in den Kreisgruppen wurden mindestens 250 Einzelveranstaltungen, u.a. am Aktionstag BayernTourNatur durchgeführt. Dazu gehören Biberwanderungen im Altmühltal genauso wie Schulklassen-Projekte am Bach oder im Wald. Die Jugendorganisation des BN am Hesselberg (Lkr. Neustadt/Aisch - Bad Windsheim) zeigte z.B. Schleiereulen im Nest mithilfe einer Kamera und stellte die Bilder unter www.schleiereulen.de ins Internet. Auch die Veranstaltungen des BN-Bildungswerkes im Großraum und das jährliche Reichswaldfest am Schmausenbuck (Nürnberg) stellten die Bildungsarbeit des BN unter Beweis.
Im Zusammenhang mit der Kommunalwahl konnte der Bund Naturschutz ebenfalls einige Erfolge verbuchen: Durch Wahlprüfsteine und Aktionen im Wahlkampf gelang es, die geplante Splittersiedlung am Waldkrankenhaus im Stadtwald Fürth, den kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellweges oder die Ostspange durch den Bannwald in Nürnberg zum Thema zu machen. Wechsel auf den Oberbürgermeisterposten ermöglichten die Umplanung und damit den Erhalt wertvoller Naherholungsgebiete sowie die Überprüfung der Nürnberger Transitautobahn.
Durch seine Artenschutzmaßnahmen und die aktive Biotoppflege bleibt der BN ein entscheidender Faktor bei der Bewahrung von Natur und Landschaft in Mittelfranken. Derzeit betreut der BN in Mittelfranken allein ca. 120 eigene Liegenschaften mit 100 Hektar Fläche und mehrere hundert Hektar mit Pflegevereinbarungen. Zum einen sind dies die vielen regelmäßigen Amphibienaktionen im Frühjahr oder die jährliche Mahd von Feuchtwiesen, die Entbuschung von Trockenrasen, Teichpflege u.ä.. Zum anderen sind dies einmalige Aktionen wie die Renaturierung des Goldbaches (Nürnberg). Die Kreisgruppe Höchstadt-Herzogenaurach nahm sich z.B. der naturnahen Karpfenzucht im NSG Mohrhof an und vermarktete sie vollständig unter dem Motto "Karpfen pur Natur". Das "Kirschenprojekt" der Kreisgruppe Erlangen im Kalchreuther Gebiet hilft, den Erhalt der alten Obstbestände sicherzustellen. Bei seinen Bemühungen um den Erhalt von Naturschönheiten scheut der BN auch das Gericht nicht: 2003 wird die Entscheidung in Sachen Gipsabbau am NSG Sieben Buckel (Lkr. Neustadt/Aisch - Bad Windsheim) fallen. Der BN hofft, dass einer der letzten vier Gipshügel Bayerns mit seiner speziellen Vegetation nicht dem Konzern KNAUF zum Opfer fällt.
Rückschläge für Natur und Umwelt und Ausblick auf 2003
Natürlich gab es im vergangenen Jahr in Mittelfranken auch Rückschläge, wie den ungebremsten Flächenfraß, den Müllskandal Neuendettelsau oder die weitere Planung neuer Straßen:
Es drohen weiterhin die Straßenbauten für eine B2a neu durch den englischen Garten Nürnbergs, das Rednitztal, die unnötige Zerstörung der reizvollen Landschaft bei Brand-Geislohe (B 466, Lkr. Weissenburg-Gunzen-hausen), die B 14 neu durch das Pegnitztal bei Reichenschwand sowie der Bau der Abkürzung Schnaittach - Forth zwischen der A9 und dem Frankenschnellweg. Die damit unmittelbar zusammenhängende Südumfahrung Buckenhof - Uttenreuth konnte erfreulicherweise durch eine erfolgreiche Beschwerde der Gemeinde Buckenhof bei der EU wieder in Frage gestellt werden. Eine völlig neue Bundesstraße vom fränkischen Seenland zur A9 bei Thalmässing (B 13 neu) oder die Querverbindung vom Frankenschnellweg zur Südwesttangente (Westumfahrung Fürth) sind aktuelle (Fehl-) Planungen der Straßenbaubehörden. Mit dem Ausbau des Frankenschnellweges in Nürnberg droht weiterhin eine Transitautobahn durch die Großstadt Nürnberg mit enormen Immissionsgefahren für die Stadtbevölkerung durch Lärm, Ruß, Stickstoff und Benzol. Ganz neu im Katalog der Grausamkeiten ist die geplante sog. Nordanbindung zum Flughafen Nürnberg mitten durch den Lorenzer Reichswald. Allen diesen Plänen setzt der BN Widerstand entgegen, da das Straßennetz in Mittelfranken bereits überdurchschnittlich ausgebaut ist und neuer Straßenbau den Stau nicht verhindert, sondern nur verlagert. Investition der veranschlagten Gelder in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr (Bus und Bahn) wären langfristig besser angelegt.
Stellvertretend für die Fehlentwicklungen im Flächenverbrauch durch Gewerbeflächen stehen die Auseinandersetzungen um den Schutz der europarechtlich geschützten Dolomitkuppenalb im Nürnberger Land: Trotz fundierter Stellungnahmen des BN und weiterer Verbände, trotz Initiativen im Regionalen Planungsverband und bei der Regierung von Mittelfranken und trotz einer Petition im Bay. Landtag soll nördlich von Velden in einem der reizvollsten Wandergebiete der "Fränkischen" ein riesiger Chemiebetrieb (Ecka-Granulate) angesiedelt werden. Hintergrund ist der Bürgermeisterwettbewerb um Arbeitsplätze zwischen der Stadt Velden und dem benachbarten Hartenstein. Obwohl in Hartenstein am derzeitigen Standort ausreichend Flächen für eine Ansiedlung am bestehenden Werk der Fa. Eckart zur Verfügung standen und im Großraum riesige Industrieflächen brachliegen, soll hier Landschaft verschandelt werden. Ähnlich groteske Fehlentwicklungen bestehen z.B. im Gewerbegebiet Sindersdorf (Lkr. Roth), am im Bau befindlichen Autohof Schnaittach oder bei den Planungen für die Erweiterung von IKEA in Fürth, Gewerbegebiete in Heroldsberg u.v.m..
Mit dem "Giftacker-Skandal" in Neuendettelsau (Lkr. Ansbach) wurde einmal mehr deutlich, dass das Thema Müllentsorgung und Überwachung von Sondermüll weiterhin auf der Agenda steht. Dort hatte ein Landwirt in krimineller Art und Weise ca. 4.400 t giftige Industrieabfälle und Sondermüll auf Äcker ausgebracht. Das eigentliche Problem besteht v.a. in der mangelhaften Kontrolle der Müllverschiebungen und die Möglichkeit zur Deklarierung von Müll als Wirtschaftsgut nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz. Die über 3 Mio. € teure Sanierung wird vermutlich weitgehend am Steuerzahler hängen bleiben.
gez.
Prof. Dr. Hubert Weiger
1. Vorsitzender
Richard Mergner
Landesbeauftragter
Tom Konopka
Regionalreferent