Fehlinvestition Kunstschnee
Klimaveränderung und leere Kassen der Gemeinden sorgen zunehmend für Schlagzeilen. Was liegt näher, als Einsparmöglichkeiten für Klimagase und für öffentliche Gelder zu verbinden. Eine dieser Möglichkeiten ist der Verzicht auf Kunstschnee.
Umso heftiger kritisiert der Bund Naturschutz in Bayern e.V. zum Ende dieser Skisaison das weiter fortgesetzte Wettrüsten der bayerischen Skigebiete mit Schneekanonen. Am Beispiel eines der derzeit eklatantesten Beispiele geplanter Fehlentwicklungen in Oberammergau hat der BN kritisiert, dass 2002 neue Genehmigungen für über 25 ha künstlich beschneite Pistenflächen erteilt wurden. In den bayerischen Alpen dürfen somit 339 ha künstlich beschneit werden. Damit hat sich die Fläche, auf der Schneekanonen eingesetzt werden dürfen, innerhalb von nur 10 Jahren mehr als verachtfacht.
Künstliche Beschneiungsanlagen sind sehr teure Investitionen, bereits die Anschaffungskosten liegen hoch, dazu kommen hohe Ausgaben für den Bau und Betrieb sowie für Nebenanlagen, wie die häufig errichteten Speicherteiche. Zunehmend zahlen Gemeinden bei den Investitionen kräftig mit, einige Anlagen gehen sogar ganz zu Lasten des Steuerzahlers. Der BN fordert, keine weiteren Gelder für Schneekanonen auszugeben. Diese sind angesichts der unübersehbaren Folgen der Klimaveränderung und auch der Wünsche des typischen Winterurlaubers in den bayerischen Alpen eine Fehlinvestition. Vielmehr hält der BN es für wichtig, diese Gelder für den qualitativ hochwertigen Ausbau von Alternativangeboten zum Alpin-Skisport zu verwenden.
Fast schon sind die Bilder der Weihnachtszeit vergessen: Schnee erst über der Waldgrenze, stillstehende Lifte, Schneekanonen, die wegen zu hoher Temperaturen nicht in Betrieb gehen konnten. Der Schneemangel bis Ende Januar war kein Einzelfall; in den meisten der letzten Wintersaisonen war der Alpin-Skibetrieb bis weit in den Januar nicht oder nur mit sehr großen Einschränkungen möglich. Alle Klimaprognosen gehen davon aus, dass es weiterhin Schneemangel in der Winter-Hauptsaison geben wird.
Anstatt Alternativangebote zu entwickeln, setzen Seilbahnlobby und Gemeinden weiterhin v.a. auf Alpin-Skisport. Trotz immenser Kosten werden immer weitere Anlagen für die künstliche Beschneiung errichtet. So wurden allein im Sommer 2002 Genehmigungen für über 25 ha neue Beschneiungsflächen erteilt. Im gesamten bayerischen Alpenraum wurden neue Anlagen genehmigt, z.B. weitere 5,0 ha am Jenner bei Berchtesgaden, 7,5 ha am Hocheck bei Oberaudorf im Inntal und weitere 11,5 ha am Bolsterlanger Horn im Oberallgäu.
Da selbst normale Schneekanonen die Erzeugung von Kunstschnee zur Hochsaison nicht mehr gewährleisten können, haben Ideen zur Herstellung von Kunstschnee bei Wärme Hochkonjunktur: beispielsweise ist die Rede von "Cool Snow" ("Die Schneekühler vom Oberjoch"), der bei warmen Temperaturen mittels Kühlschläuchen im Boden für eine kalte Unterlage sorgen soll. Auch über den derzeit (noch -) verbotenen Einsatz von veränderten Bakterien (sog. Snowmax) bei der Kunstschnee-Herstellung wird intensiver denn je nachgedacht. In Österreich wirbt die Seilbahnlobby massiv für die Freigabe von "Snowmax", gerade auch in Verbindung mit einer neuen Beschneiungstechnik.
Was für die Seilbahnbetreiber verlockend klingt, ist letztlich nur die auf die Spitze getriebene Fortsetzung des Weges in eine Sackgasse. Bereits Anfang der 90er Jahre haben Studien aus der Schweiz die Rentabilität vieler niedrig gelegener Schigebiete in Frage gestellt. In Zukunft wird sich diese Situation angesichts der Klimaveränderung weiter verschärfen. Nur noch 44 % der Schweizer Skigebiete gelten als auch für die Zukunft schneesicher. Selbst so große und bedeutende Skiorte wie Kitzbühel (Tirol) können keine durchgehende Skisaison mehr garantieren. Eine aktuelle Studie der Universität Graz (Österreich) zeigt, dass die Hälfte der österreichischen Skigebiete im Jahr 2050 mit großem Schneemangel zu kämpfen haben wird. Da erscheint es wie ein Kampf gegen Windmühlen, wenn in den bayerischen Skigebieten weiter in Kunstschnee und Kapazitätserweiterung investiert wird und gleichzeitig bereits Lifte und Schneekanonen abgebaut werden und einige Bergbahnen den Pistenbetrieb eingestellt haben. So wurden beispielsweise im als schneesicher geltenden Reit im Winkl schon vor einigen Jahren die Lifte eingestellt. Nach wie vor erfreut sich Reit im Winkl trotzdem großer Beliebtheit als Wintersportort, denn ein gut gepflegtes Loipennetz, Rodelbahnen, Winterwanderungen und vieles mehr werden bestens angenommen.
Die Kosten für die Installation und den Unterhalt der künstlichen Beschneiung sind immens. Viele Bergbahnen sind bereits überschuldet, in Frankreich sind die meisten von Ihnen mittlerweile in Besitz von Banken. In Bayern wird der Ruf des Verbands deutscher Seilbahnen nach Zuschüssen der öffentlichen Hand immer lauter. Bereits jetzt leisten viele Gemeinden einen großen finanziellen Anteil zu Modernisierungen und Betrieb von Skigebieten, einige Bergbahnen sind sogar ganz in kommunaler Hand.
Nach Ansicht des BN macht es keinen Sinn, hier immer weiter zu investieren. Es ist nicht einmal gewährleistet, dass der Kunstschnee bei weiterhin steigenden Temperaturen überhaupt auf den Pisten liegen bleibt, sondern vielmehr schnell wieder wegschmilzt. Beispielsweise blieb von den im Dezember 02/ Januar 03 produzierten "70.000 cbm³ Maschinenschnee" am Jenner wegen des Wärmeeinbruches nur 1/4 auf der Piste liegen ! (Berchtesgadener Anzeiger). Damit schmolz auch die Rentabilität dahin. Die Berchtesgadener Bergbahnen AG hat in der laufenden Wintersaison über 79.000 EURO in die Beschneiung investiert, das sind 1,16 EURO pro Kubikmeter³ bzw. 4,5 EURO pro auf der Piste verbliebenem Kubikmeter Schnee.
Der BN fordert deshalb, die übermäßige Schwerpunktsetzung auf den Alpin-Skisport aufzugeben und statt dessen weit stärker als bisher Gelder für Ideen und die Bewerbung von alternativen Angeboten zu verwenden. Die Chancen, dass alternative Angebote von einem breiten Urlauberkreis angenommen werden, sind in den bayerischen Alpen sogar weit besser als in Salzburg, Tirol, Südtirol oder den französischen Alpen, denn der typische" Winterurlauber" in den bayerischen Alpen ist nicht der klassische Alpin-Skifahrer sondern legt Wert auf Abwechslung und vielfältige Angebote aus Sport, Naturerlebnis, Gastronomie, Kultur und Sehenswürdigkeiten. Das Alpin-Skifahren hat für den Winterurlaub in den bayerischen Alpen bei weitem nicht den Stellenwert wie in den Groß-Skidestinationen Österreichs, der Schweiz und Frankreichs. Ein großer Teil der Winterurlauber in den bayerischen Alpen fährt überhaupt nicht Abfahrtsski. Viele Winterurlauber sind nur einen oder wenige Tage auf der Piste unterwegs und machen an den restlichen Tagen Winterwanderungen, besichtigen schöne Dörfer, Schlösser, Kirchen und Museen, gehen zum Rodeln oder fahren mit einer Kutsche u.a.. Zudem geht die Zahl der Alpin-Skifahrer alpenweit seit vielen Jahren zurück, besonders ausgeprägt ist der Rückgang unter den Urlaubsgästen in den bayerischen Alpen.
Gerade angesichts dieses touristischen Profils ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb die touristische Bewerbung für die Wintersaison sowohl von den einzelnen Fremdenverkehrsämtern, wie auch insbesondere von den touristischen Zusammenschlüssen immer noch v.a. auf den Alpin-Skisport setzt. Insbesondere in Schwaben rangiert der Abfahrtsskisport in der Tourismuswerbung ganz oben. Scheinbar nur zögerlich, erscheinen in den Ortsprospekten und den gebietsbezogenen Broschüren Hinweise auf das vielfach durchaus attraktive Angebot für Möglichkeiten abseits von Pisten. Eine Reihe von v.a. kleineren Wintersportorten hat sehr ansprechende Alternativangebote zum Pistenskifahren im Programm. Dazu gehören gut präparierte Loipen aller Schwierigkeitsgrade, Rodelbahnen, Schlittenhunderennen, Pferdekutschenfahrten, geführten Winterwanderungen und Schneeschuhtouren, Wildfütterungen, Montgolfiaden, Wellnessangebote und vieles andere mehr. Manche Orte haben sich auch ganz spezielle Angebote einfallen lassen, die es sonst nicht gibt. So fand z.B. in Wertach im Landkreis Oberallgäu am 22.2.2003 ein Winterfest "Wir bauen Skulpturen aus Schnee" statt.
Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich auch Winterwanderungen auf geräumten Wegen. Auch diesen Trend greifen die Fremdenverkehrsorganisationen bislang eher abwartend auf, statt - wie in der Schweiz - offensiv dafür zu werben und das Angebot zu optimieren. Besonders großes Interesse finden geräumte Winterwanderwege wegen mehr Sonne und besserer Aussicht in mittleren Lagen. Aber nur in Einzelfällen gibt es in den bayerischen Alpen bislang solche Wege, z.B. 2,5 km geräumte Wege am Predigtstuhl bei Bad Reichenhall.
Der Bund Naturschutz fordert deshalb:
· Keine weiteren Genehmigungen für Beschneiungsanlagen zu erteilen,
· weiterhin den Einsatz des sog Schneeverbesserers "Snowmax" nicht zuzulassen,
· weit mehr als bisher Alternativangebote zum Alpin-Skifahren zu entwickeln,
· in der touristischen Werbung stärker auf die vielfältigen Möglichkeiten des Urlaubserlebnises ohne Alpinski hinzuweisen,
· den Austausch zwischen Wintersportorten mit Alternativ-Angeboten zum Abfahrtsski zu fördern
· Neue, fantasievolle, natur- und umweltverträgliche Angebotsformen zu unterstützen, z.B. in Form eines Ideenwettbewerbs.
Daher lehnt der BN auch die geplante Beschneiungsanlage in Oberammergau strikt ab und appelliert an alle Bürgerinnen und Bürger Oberammergaus, diese Fehlentwicklung durch den Bürgerentscheid zu stoppen.
Zusammenfassend ist die Planung abzulehnen, weil die Eingriffe durch Umgraben des ganzen Berges und durch die Wasserentnahme aus der Ammer angesichts des geringen touristischen Effekts und der geringen zu erwartenden Mehreinnahmen nicht tolerierbar sind, und weil die herrschende Euphorie vor den realen Zahlen keine Berechtigung hat. Statt dessen wird das Image Oberammergaus geschädigt, werden öffentliche Gelder auf Jahre gebunden, werden die Möglichkeiten blockiert, andere und sinnvollere Investitionen zu tätigen.
Im Juni hat der Gemeinderat Oberammergau beschlossen, im Haushalt 2002 den Betrag von 750.000 EURO für den Ankauf und den Bau einer Beschneiungsanlage für die Schilifte am Kolben anzusetzen. Das Geld stammt aus Rücklagen, die während der Passion 2000 gebildet worden sind.
Die Investition in Schneekanonen richtet sich nur auf eine einzige Zielgruppe, nämlich Alpinschifahrer. Dabei zeigt ein Blick nach Garmisch-Partenkirchen, dass dort Bahnen und Lifte geschlossen werden, die mit der Schneelage nie Probleme hatten z.B. in der Höhenlage des Wank oder am Hausberg. Das zeigt, dass manche Gebiete vom Gast zu wenig angenommen werden. Das kennt jeder Einheimische auch vom Kolben: es gibt häufig Tage, auch am Wochenende, an denen die Lifte dort keineswegs ausgelastet sind trotz bester Schneesituation und gutem Wetter. Wenn schon an manchen Tagen kaum Schifahrer kommen, obwohl die Verhältnisse gut sind, ist es doch illusorisch zu erwarten, dass sie in Massen zu uns strömen, wenn wir den Betrieb nur mittels Schneekanonen recht und schlecht aufrechterhalten können.
Nach der bisherigen Planung wird nur eine einzige Abfahrt beschneit, nämlich die vom Tal aus gesehen links des unteren Schleppliftes gelegene Piste, die sich fortsetzt in die neue Schneise zum Waffenschmieds-Kolben und weiter Richtung Kolbensattel. Die Breite der Beschneiung beträgt lediglich 25-40 Meter. Es liegt auf der Hand, dass eine so dimensionierte künstliche Abfahrt keinen großen Besucherandrang verträgt. Wie die von Gutachtern errechnete Steigerung der Attraktivität des Schigebietes und damit des ganzen Ortes erreicht werden kann, bleibt ein Rätsel.
Die gesamte Investition in Schneekanonen wird von der Gemeinde Oberammergau bezahlt, die auch das alleinige Risiko für Bau und Betrieb trägt. Das Geld der Bürger wird in eine technische Anlage gesteckt, deren Nutzen einem kleinen Personenkreis zugute kommen soll. Eine Vergesellschaftung der Kosten für eine Privatisierung der Gewinne. Daher lehnen der BN und das Aktionsbündnis "Kein Kunstschnee am Kolben" diese Investition ab.
Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesvorsitzender
Ulrich Fingerhut
1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen
Christine Margraf
Regionalreferentin