Geplantes Logistikzentrum bei Seligenstadt
Das auf 36 Hektar geplante IKEA-Verteilerzentrum bei Seligenstadt (Lkr. Würzburg) wird nicht gebaut. Dies teilte der schwedische Möbelkonzern am 18.11.03 mit und nannte für den Verzicht auf den Bau "betriebsorganisatorische Gründe".
"Der Bund Naturschutz begrüßt die Entscheidung von IKEA, das gigantische Auslieferungslager nicht zu bauen. Es ist ein Sieg für unsere Landschaft, für den Erhalt bester landwirtschaftlicher Böden und die Rettung des Lebensraumes europaweit gefährdeter Arten wie Feld-Hamster und Wiesenweihe," so der Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz, Richard Mergner.
"Wir haben über zwei Jahre intensiv gegen den Bau des gigantischen Lagers gekämpft und freuen uns, dass es sich gelohnt hat," so Karin Miethaner-Vent, Vorsitzende der Kreisgruppe Würzburg.
Angesichts der besonderen Bedeutung des geplanten Standortes für die nach europäischem Recht geschützten Arten hatte sich der Bund Naturschutz mit einer Beschwerde an die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission in Brüssel gewandt und v.a. wegen der unzureichenden Alternativenprüfung auch die IKEA-Zentrale in Schweden direkt angeschrieben.
Die Firma IKEA Lager und Service GmbH plante auf einer Hochfläche nahe dem Ort Seligenstadt (150 EW; Lkr. Würzburg) ein so genanntes "Distributionszentrum". Das Plangebiet nahm eine Fläche von ca. 36 ha (363.000 m2) ein, wovon ca. 65% überbaut werden sollten. Kernstück der Planung waren zwei hintereinander liegende Flachdachhallen mit einer Fläche von je 320 m auf 170 m und bis über 30 m Höhe.
Von diesem Verteilungslager aus sollten die IKEA-Häuser insbesondere in ganz Süddeutschland per Lkw beliefert werden. Der Wareneingangsverkehr (aus Süd- und Südosteuropa) sollte zu 60 - 80% über die Straße abgewickelt werden. Eine zusätzliche Verkehrsbelastung mit über 100 Lkw täglich wäre entstanden.
Das Gebiet um Seligenstadt weist beste landwirtschaftliche Böden auf. Die sog. Gäuböden sind die ertragreichsten Böden Bayerns. Sie wären ersatzlos versiegelt worden und würden kommenden Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Aufgrund der Dimensionen der geplanten Baukörper und der guten Einsehbarkeit der Fläche hätte das Vorhaben einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild dargestellt.
Außerdem wäre ein Lebensraum für zahlreiche gefährdete Arten zerstört worden. Darunter Wiesenweihe und Rohrweihe, die gemäß europäischer Vogelschutzrichtlinie besonders geschützt sind. Das betroffene Gebiet ist Teil des bundesweit bedeutendsten Wiesenweihenbrutgebietes und wurde von "birdlife international" in die Liste der "important bird areas" aufgenommen. Der ebenfalls europaweit geschützte Feldhamster (Berner Konvention, Bundesartenschutzverordnung, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) hat hier einen bundesweit bedeutenden Verbreitungsschwerpunkt.
In seinem Brief (vom 21.02.03) hatte der 1. Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Prof. Dr. Hubert Weiger, auf die zu erwartenden negativen Auswirkungen des Vorhabens hingewiesen. Dabei wurden auch weitere umweltbelastende Planungen der Firma IKEA in Fürth (102.800 m2 großer Neu- und Erweiterungsbau) sowie in Taufkirchen (Rodung von 75.000 m2 Bannwald für Möbelhaus und Parkplätze) aufgeführt. Der BN hatte mit Hinweis auf das bisherige positive Umwelt-Image von IKEA die Firmenleitung gebeten, von diesen Planungen Abstand zu nehmen und nach anderen natur- und umweltverträglichen Lösungen zu suchen.
Die drastische Verringerung des Flächenverbrauchs ist mittlerweile zwar erklärtes Ziel auf höchster politischer Ebene und wird sogar von Innenminister Beckstein in einem sechsseitigen Rundschreiben an alle bayerischen Bürgermeister angemahnt. Dessen ungeachtet werden die gesetzlich formulierten Zielvorgaben von Bund und Land auch heute noch durch Subventionen aus dem Wirtschaftministerium förmlich konterkariert. Bayern ist der Spitzenreiter unter allen Bundesländern bzgl. Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke. Im Jahr 2002 wurden in Bayern täglich 20 ha dafür verbraucht.
Und: Nach wie vor müssen sich Kritikerinnen und Kritiker am hemmungslosen Landverbrauch und an unsinnigen Prestigeprojekten vor allem auf kommunaler Ebene massive Vorwürfe und oft sogar persönliche Anfeindungen gefallen lassen. So wurde dem Bund Naturschutz in Würzburg vorgeworfen, er verhindere die Schaffung von Arbeitsplätzen. Fakt bleibt aber: Bayern hat so viele leerstehende Gewerbegebiete wie noch nie und trotzdem eine hohe Arbeitslosigkeit. Die im Zusammenhang mit dem IKEA-Auslieferungslager von Betreiberseite immer wieder in Aussicht gestellten Arbeitsplätze wären andernorts durch Vernichtung kleinerer Möbelhäuser verloren gegangen.