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Tiere und Pflanzen

Bedrohung von Flüssen und Auen in Bayern

Flüsse und Auen in Bayern haben im vergangenen Jahrhundert enorm gelitten. Nur noch Bruchteile der Fließgewässer im Freistaat dürfen frei fließen und haben intakte Auen. Zeit, aus unseren Fehlern zu lernen!

Die faszinierende Vielfalt der Auen kann sich nur entwickeln, wenn sich die Wasserstände (Hydrodynamik) und die Standorte (Morphodynamik) entlang des Flusses ständig mit dem Fluss verändern dürfen. Das einzig Beständige an der Aue ist natürlicherweise der vom Fluss bestimmte Wandel – der „Herzschlag der Aue“. Die hochspezialisierten Tiere und Pflanzen, die in der Aue leben, sind an diese extremen Wechsel angepasst und brauchen sie sogar. Wenn sie ausbleiben, werden sie von anderen, durchsetzungsfähigeren Arten verdrängt. Für das ständige Vergehen und Neuentstehen brauchen Auen und ihre Bewohner genügend Raum und einen frei fließenden Fluss.

Doch genau hier beginnt die Bedrohung von Flüssen und Auen: Noch vor weniger als 200 Jahren waren die Auen wild und breit und die Flüsse frei. Doch der Mensch hat diese artenreichen Lebensbänder in nur 150 Jahren zu einem Schatten ihrer selbst gemacht. Die meisten deutschen und bayerischen Flüsse sind heute eingedeicht, begradigt und mit Staustufen verbaut, oder sie wurden zu Restwasserstrecken degradiert. Solche Gewässer kennen keine natürliche Dynamik mehr und so zählt der Auwald heute zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen Europas.

In Bayern sind die Flüsse und Auen laut Zustandsbericht von 2009 (BfN) leider besonders bedroht. Große Fließgewässer wie Donau, Isar oder Lech haben bis zu 90 Prozent ihrer ehemaligen Überschwemmungsgebiete, das heißt ihrer rezenten Aue, verloren. Deshalb fordert der BN-Vorsitzende Hubert Weiger: „Wir müssen den Auen wieder Raum geben! Wo ein Deich Fluss und Aue trennt oder Maisäcker die Auenwiesen verdrängen, verlieren Natur und Mensch. Gewinnen die Auen hingegen wieder Raum, gewinnt auch der Mensch.“

Warum bedroht die Verbauung Fluss und Aue?

Ein naturbelassener Fluss oder Bach fließt niemals lange geradeaus: Er biegt mal rechts mal links ab, teilt sich in mehrere Arme auf (Furkationsstrecke), kurvt großzügig durch die Landschaft (Mäanderstrecke), weicht Hindernissen aus oder gräbt sich in diese ein (Durchbruchstrecken, z.B. Weltenburger Enge). In seinen Auen formt er eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen Gewässertypen – vom kleinen Hochwassertümpel bis hin zu mächtigen Altwasserarmen.

Wenn der Mensch ein Fließgewässer begradigt, nimmt er ihm die natürliche Dynamik. Er verkürzt den Flusslauf, was zu einem steigenden Gefälle und damit zu einer höheren Fließgeschwindigkeiten führt. Die Flüsse graben sich immer tiefer in ihr Bett ein. Mit dem Absinken des Wasserspiegels sinkt auch der Grundwasserspiegel und es kommt sowohl in den Auen als auch auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu irreparablen Schäden.

Dieser Prozess wird durch Staustufen verstärkt. Sie halten das sogenannte Geschiebe im Oberlauf zurück. Das ist vor allem Gesteinsmaterial, das ein Fluss natürlicherweise am Flussbett vor sich her schiebt. Es nimmt normalerweise dem Fluss auf natürliche Weise einen Teil seiner Kraft, sodass er sich nicht so schnell tiefer eingräbt. Natürlicherweise löst der Fluss auch seitlich an seinen Ufern immer wieder Erde und Gestein ab. Diese natürliche Seitenerosion wird heute aber vielerorts durch Uferbefestigungen verhindert. Die Folge: Quervernetzungen zwischen Fluss und Aue gehen verloren, kiesige Laichgründe verschlammen, die Dynamik und dadurch auch die Standortvielfalt gehen zurück.

Wehre und Staustufen verhindern außerdem im Staubereich das für die Aue wichtige Niedrigwasser. Wechselwasserbereiche und Auwälder ertrinken im wahrsten Sinn des Wortes im Anstau und wichtige Laichgründe für Fische verschwinden. Wo der Fluss gestaut ist, ist die Aue langfristig zum Sterben verurteilt. Ihr fehlt die lebenswichtige Dynamik.

Die Bedrohung von Flüssen und Auen und ihre Folgen

In Deutschland stehen heute nur noch rund ein Drittel der ehemaligen Auen als Überschwemmungsflächen zur Verfügung. Von diesen noch überflutbaren (rezenten) Auen wiederum sind nur zehn Prozent noch in relativ gutem Zustand (sehr gering oder gering verändert). Die wertvollen Hartholzauwälder sind sogar auf unter ein Prozent ihrer früheren Fläche geschrumpft.

In Bayern werden heute 67 Prozent der Auenflächen landwirtschaftlich genutzt, zunehmend als Äcker. Wo Auewiesen und Auwald durch Maisäcker oder Fichtenforste zerstört wurden, herrscht nun Monotonie statt Vielfalt. Weitere zwölf Prozent sind mit Siedlungs- und Verkehrsflächen überbaut. Inzwischen sind nur noch 15 Prozent der bayerischen Auen bewaldet und lediglich drei Prozent gelten als wenig beeinträchtigt. Damit sind nicht nur wichtige Naturschätze verlorengegangen, die Hochwassergefahr hat auch stark zugenommen, weil sich der Fluss im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr „breit“ machen kann. Er ist in ein enges Korsett gezwängt, bei viel Regen kann sich das Wasser nur in eine Richtung ausdehnen – nach oben.

Auenbewohner verlieren ihre Heimat

Mit dem Verschwinden der Auen haben unzählige Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum verloren. Viele der typischen Auebewohner sind deshalb heute stark gefährdet, einige sogar vom Aussterben bedroht. Die biologische Vielfalt in den einstigen Schatzkästchen der Natur hat stark abgenommen. Nur sehr wenige Auenbewohner finden beispielsweise in Kiesgruben Asyl – jedoch nie dauerhaft und gesichert, denn diesen Ersatzlebensräumen aus zweiter Hand fehlt die nötige und für die Auenarten überlebenswichtige Dynamik.

Gewässerverschmutzung durch Fabriken und Landwirtschaft

Doch nicht nur die Verbauung setzte den bayerischen Fließgewässern in der Vergangenheit arg zu. Auch die Wasserverschmutzung nahm mit dem Wirtschaftswunder immer größere Ausmaße an. Heute sind es nicht mehr so sehr die Fabriken, als vielmehr die Landwirtschaft, die Bäche und Flüsse verschmutzt. Überall dort, wo Äcker bis an die Gewässer heran bewirtschaftet werden, finden Dünger und Pestizide ihren Weg ins Wasser und schädigen das Leben im und am Fluss. Wo ehemals Wald und Wiesen wuchsen, dehnen sich heute viel zu oft Äcker aus und der Boden liegt blank. Wind und Wetter tragen ihn ab und in die Flüsse hinein, sodass heute viele Flussbetten verschlammt und für bestimmte Fisch- und Muschelarten zur Fortpflanzung nicht mehr nutzbar sind. Ungenutzte Gewässerrandstreifen, wie sie in anderen Bundesländern bereits Pflicht sind, könnten dieses Problem sehr entschärfen.

Schifffahrt und Wasserkraft setzen den Flüssen zu

Auch für die Schifffahrt wurden in Bayern schon viele Flüsse oder Flussabschnitte und die umliegenden Auen zerstört. Durch Sohlvertiefung, Verbreiterung der Flussbetten und Begradigungen gingen unersetzliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen verloren und die Fließgewässer verloren ihre natürliche Dynamik. Zusätzlich liegen mehr als 60 Prozent aller deutschen Wasserkraftanlagen an bayerischen Flüssen und Bächen – mit verheerenden Folgen für die Ökologie der Gewässer. Lassen sich Energiewende und Gewässerschutz vereinbaren?